(24.9.2015, DBV-Bundesverband) Bundesregierung lässt Bundesländer, Kommunen, Aufgabenträger und die Behinderten im Regen stehen.

Der DBV-Bundesverband schlägt Alarm. Denn der im Personenbeförderungsgesetz (PBefdG), § 8, genannte Termin ist eindeutig. Am 1. Januar 2022 muss der öffentliche Verkehr vollständig barrierefrei sein. Nur in Nahverkehrsplänen können Ausnahmen beschrieben werden. Passiert ist bisher jedoch nicht viel.

Die drei Problemfelder

1. Planung und Bau

Vielerorts müsen Haltestellen umgebaut, neue Niederflurstraßenbahnen und -busse angeschafft, Zugangsbauwerke und Bahnsteige angepasst werden. Das erfordert einen erheblichen Planungs- und Bauaufwand. In der Regel sind hierzu aufwändige Genehmigungsverfahren notwendig. Dem DBV ist keine Kommune bekannt, die hierfür einen Zeitplan entwickelt hat.

Auch sind Behinderten- und Nahverkehrsbeiräte in Deutschland nicht flächendeckend anzutreffen. Sie sind jedoch notwendig, um an den  Nahverkehrsplänen mitzuwirken, die in Ausnahmefällen beschreiben, wie Barrierefreiheit konkret definiert wird.

2. Finanzierung

Vor der Planung steht die Bereitstellung der Finanzen. Auch hier hat nach Informationen des DBV noch keine Kommune ausreichend Vorsorge getroffen. Der sowieso unterfinanzierte Verkehrshaushalt bietet realistisch betrachtet nirgends Spielraum, um innerhalb von knapp sechs Jahren mehrere Millionen für den Umbau von Haltestellenanlagen, die Neuanschaffung von geeigneten Fahrzeugen oder den Einbau von Aufzügen sicher zu finanzieren.

Das PBefG ist ein Bundesgesetz und für die Einhaltung des Termines 1.1.2022 ist eigentlich auch die Bundesregierung zuständig. Leider werden die Bundesländer und Kommunen mit der Finanzierung alleine gelassen. Stattdessen verweist die Bundesregierung auf Gelder, die die Bundesländer bereits heute für infrastrukturmaßnahmen bei den Eisenbahnen erhalten (sogenannte LuFV, Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung). Jedoch sind die LufV-Mittel ursprünglich für die Umsetzung der Barrierefreiheit nicht vorgesehen und nur für den Eisenbahnverkehr bestimmt. Wenn es um die Mitbeteiligung an den Kosten für die Herstellung der vollständigen Barrierefreiheit geht, werden die Bundesländer und Aufgabenträger alleine gelassen. Dies sei, so antwortet die Bundesregierung in der Bundestags-Drucksache 18/5652, Frage 6, nicht ihre Aufgabe: "Die im Wettbewerb am Verkehrsmarkt operierenden Eisenbahnunternehmen haben die Bedingungen für die Herstellung der Barrierefreiheit im Einzelnen in eigener unternehmerischer Verantwortung zu regeln und darüber zu entscheiden, welche Art von Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit sie ergreifen und zu welchem Zeitpunkten sie die Investitionen tätigen. [...]".

3. Fazit

Die gesetzlich vorgeschriebene Umsetzung der vollständigen Barrierefreiheit zum 1.1.2022 scheint gefährdet. Die Bundesregierung fühlt sich dafür nicht verantwortlich, es gibt kaum Konzepte zur zeitlichen Umsetzung und zur Finanzierung von Fahrzeugneuanschaffungen und Ertüchtigung der Infrastruktur. Selbst den gesamten Kostenrahmen kennt niemand genau. Eine Beteiligung der Fachverbände hat mit wenigen Ausnahmen bisher nicht stattgefunden.

Jeder Monat, der ungenutzt verstreicht, trägt zur Verschärfung des Problemes bei. Es sieht so aus, als ob die Behindertenbelange im Moment zum Spielball zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik werden - nach dem Motto "Wer sich als erster bewegt, hat verloren".

Hat niemand in der Politik erkannt, welche Sprengkraft das Datum 1.1.2022 in sich birgt? Aussitzen und Verschieben wird nur dazu führen, dass Behinderte und deren Verbände ihre gesetzlich verbrieften Rechte ab Januar 2022 einklagen werden. Deshalb erwartet der DBV-Bundesverband, dass sich die Verantwortlichen schnellstens über die notwendige Finanzierung und Umsetzung einigen und die konkrete Umsetzung angehen.

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