Fahrgäste steigen an einer Bushaltestelle in einen Bus ein.
Fahrgäste steigen an einer Bushaltestelle in einen Bus ein.

 

DBV hält das „9 Euro-Ticket für 90 Tage“ für eine gut gemeinte, aber bisher schlecht umgesetzte und nicht haltige Idee

In den letzten zwei Wochen gab es viele Fragezeichen zum Beschluss der Bundesregierung vom 23. März 2022, befristet für drei Monate eine ÖPNV-Monatskarte für 9 Euro/Monat einzuführen (wohl aus Werbegründen als „9 für 90“ bezeichnet). Niemand konnte und niemand kann sie bisher beantworten. Die gut gemeinte Idee, Fahrpreise im Nahverkehr bundesweit als Experiment zu senken, braucht nach Ansicht des DBV eine wissenschaftliche Begleitung und Einbeziehung der Kunden. Zudem sollte daraus der Beginn eines langfristigen Konzepts zur Stärkung des ÖPNV werden. Das ist alles nicht der Fall.

Was im Beschluss der Bundesregierung einfach klingt: „… führen wir für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro/Monat („9 für 90“) ein ...“ ruft bei allen Beteiligten Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte hervor. Weder mit den Verantwortlichen in den Kommunen und mit den Kunden hat vorher niemand gesprochen. Sie müssen es umsetzen und nutzen! Viele, ganz praktische Fragen zu Geltungsdauer, Umfang, Verkauf, Aussehen, Anerkenntnis, Berechtigtenkreis und beispielsweise Verrechnung sind weiterhin ungeklärt. Dauert es nach dem Ende des Projektes auch vier Jahre, bis die Gelder bei den Unternehmen angekommen sind?

Die Bundesregierung hatte vor, die Folgen der stark gestiegenen Kraftstoffpreise durch den Ukraine-Krieg abzumildern (so die Formulierung im Beschluss der Bundesregierung (1)). Zwei Tage später, in den Beschlüssen der Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer, liest sich die Begründung schon anders. Hier ist nicht mehr von der Entlastung der ÖPNV-Kunden die Rede, sondern (2): „... dass ein Weiterreichen der gestiegenen Energiekosten an die Kundinnen und Kunden des ÖPNV in Form von entsprechenden, übermäßigen Tarifanpassungen mit den Zielen des Klimaschutzes und der sozialverträglichen Gewährleistung einer umfassenden Mobilität und Daseinsvorsorge nicht verträglich ist.“ Statt der gewünschten Entlastung wird die Nichtdurchsetzbarkeit der Weitergabe der Preissteigerungen an den Kunden als Begründung genannt!

Im Zusammenhang mit „9 für 90-Ticket“ wird nie über notwendige Angebotsverbesserungen in ländlichen Regionen gesprochen. Was nützt ein attraktiver Preis, wenn in den Sommerferien überhaupt kein Bus fährt, weil es nur Schulbusse sind, die auf die Schulanfangs- und Endezeiten abgestimmt sind, aber nicht die Mobilität der Berufspendler berücksichtigen? Was passiert im Herbst, nach dem Ende der dreimonatigen Vergünstigung? Die Kraftstoffpreise werden weiterhin hoch sein. Verbünde und Kommunen haben bereits Fahrpreiserhöhungen für den Herbst 2022 angekündigt. Andere überlegen noch, ob Erhöhungen von 5 % und mehr für Monatskarten durchsetzbar sind.

Die Abwärtsspirale mit ständigen Fahrpreiserhöhungen ohne strukturelle Angebotsverbesserungen wird mit „9 für 90“ nicht durchbrochen. Sie wird für einige Kunden nur für drei Monate angehalten. Den Nahverkehr für seine Zukunftsaufgaben vorzubereiten und überall fit zu machen, wäre die Aufgabe der Bundesregierung und der Bundesländer. Der DBV sieht mit dem „9 für 90-Ticket“ keine notwendigen Änderungen in der Verkehrspolitik. Höchstens ein Pflaster, dass nach drei Monaten alte Wunden wieder aufreißt.

(1)
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/massnahmenpaket-des-bundes-zum-umgang-mit-den-hohen-energiekosten.pdf?__blob=publicationFile&v=12
(2)
https://www.verkehrsministerkonferenz.de/VMK/DE/termine/sitzungen/22-03-25-sonder-vmk-telefonschaltkonferenz/22-03-25-beschluss.pdf?__blob=publicationFile&v=3

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