Landesregierung Hessen soll sich für die Abschaffung einsetzen, Bundesfinanzminister Christian Lindner will es zum Löcherstopfen bei der Bahn-Infrastruktur

Es sieht im Moment nicht gut aus für den öffentlichen Personenverkehr. Am vorletzten Wochenende hat der Landesparteitag der CDU Hessen einen Antrag der Jungen Union zur Abschaffung des Deutschlandtickets angenommen. Das Geld solle lieber und besser in die Sanierung der Infrastruktur fließen. Das Angebot sei „nicht mehr als ein Marketing-Gag der Ampelregierung“, die Verkehrspolitik müsse ehrlich und nachhaltig werden, es handele sich um ein „staatlich angeordnetes Einheitsticket“. Ende vergangener Woche hat Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) nachgelegt. Die Modernisierung der Infrastruktur der Deutschen Bahn sei nur über einen höheren Preis für das Deutschlandticket machbar. Über den Preis müsse man reden.

Die Forderung nach Abschaffung und Preiserhöhung ist nach Meinung des DBV eine Farce. Damit wird kein Mobilitäts- und Infrastrukturproblem in Deutschland gelöst. Solange es nicht auch eine flächendeckende Finanzierung der Straßeninfrastruktur nach genau dem gleichen Muster wie bei der Schiene gibt, wird die Ungleichbehandlung und der Infrastrukturverfall nur fortgeschrieben – womöglich wird er angesichts der kaum nennenswerten Einsparsummen noch nicht einmal aufgehalten.

Was beiden Forderungen gemein ist: sie negieren das Grundproblem der ungleichen Infrastrukturfinanzierung in Deutschland. Während alle Neubau-, Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen mit allen indirekten und direkten Kosten im Straßennetz komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, ist es im Schienenverkehr vollkommen anders. Hier gewährt der Bund als Eigentümer nur einen Zuschuss zum Neubau; in der Regel muss die DB AG einen Eigenanteil mit aufbringen. Für die Instandhaltung und den Ersatz ist sie selber zuständig.

Für Hessen handelt es sich um maximal 184,3 Millionen Euro pro Jahr, die das Land zur hälftigen Finanzierung des Deutschlandtickets einsparen könnte, wenn es das Angebot nicht mehr gibt. Der Gesamthaushalt des Landes Hessen beträgt für 2024 48 Milliarden Euro an Aufwendungen. Da lässt sich mit 184 Millionen sicherlich der ein oder andere Kilometer Schienenstrecke zusätzlich sanieren… oder?

Natürlich nennt Herr Lindner bei seiner Idee keinen neuen Preis. Vielleicht weiß er ja auch, wie abwegig sein Vorschlag ist. Denn das Deutschlandticket funktioniert nur, weil Bund und Länder jeweils die Hälfte als Verlustausgleich an die Kommunen und Aufgabenträger beisteuern. Will der Bund nun einen zusätzlichen Betrag, der nur ihm zugute kommt, muss dazu der Bundesrat mit allen Bundesländern zustimmen. Ob sie wohl so großzügig sind und dem Bund aus einer Preiserhöhung einige Millionen Euro zusätzlich zubilligen? Vielleicht will Herr Lindner auch nur von der eigenen Verantwortung ablenken, denn es handelt sich um Bundesstraßen und Bundesschienenwege.

Auf 370 Milliarden Euro ist im August 2023 der Sanierungsbedarf im Schienen- und Straßennetz in einer Studie, die das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und des ADAC erstellt hat, beziffert worden. Wie teuer soll das Deutschlandticket werden, damit in den nächsten 10 oder 100 Jahren wirklich das Problem der Bröckel-Brücken beseitigt werden kann?

Für viele Bundes- und Landespolitiker ist es inzwischen ein Sport, den ÖPNV und das Deutschlandticket schlechtzureden und als Kostgänger der Steuerzahler, als Fass ohne Boden, zu etikettieren. Kaum einer erkennt, dass die strukturellen Probleme eine Ursache haben: falsche politische Entscheidungen und die ständige Bevorzugung des Straßenverkehrs, über dessen Kosten nie gesprochen wird. So reiht sich auch der Auftrag an die Hessische Landesregierung und die Äußerungen von Bundesfinanzminister Lindner ohne Unterbrechung ein: Bahn- und Busverkehr sind viel zu teuer, bringen den wenigsten Menschen etwas und sind im Grunde überflüssig. Für den, der Mobilität als Besitz eines Autos definiert, ist es in der Tat unerträglich, jedes Jahr 3 Milliarden Euro für ein Angebot auszugeben, dass im Grunde überflüssig ist.

Der Bahnkunden-Verband fordert konkrete Ideen von den Verantwortlichen zur Weiterentwicklung. Deutschland braucht eine ehrliche und nachhaltige Verkehrspolitik. Soweit stimmen wir der CDU Hessen zu. Die Ehrlichkeit darf aber nicht am Straßenrand aufhören. Der Bahnkunden-Verband kann sich durchaus einen höheren Preis für das Deutschlandticket vorstellen. Nur müssen damit auch Verbesserungen einhergehen. Wir haben zahlreiche Ideen für Verbesserungen in den vergangenen Monaten veröffentlicht!

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