Großbaustellen sorgen teilweise jedoch für erhebliche Behinderungen

Mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020 wurden im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) wieder einige wichtige Verbesserungen realisiert. Dazu gehört u. a. der Beginn der Umsetzung von Angebotsverbesserungen entsprechend den Planungen des Deutschlandtakts. Die Leitlinien für den Deutschlandtakt sind dabei, wie folgt, definiert:

  • Öfter – Auf allen wichtigen Hauptachsen des Fernverkehrs sollen mindestens halbstündliche Verbindungen berücksichtigt werden.
  • Schneller – Dazu zählen die Maximierung der Reiseverbindungen sowie die Verkürzung der Reise- und Transportzeiten durch optimierte Anschlüsse und einzelne passgenaue Infrastrukturausbauten.
  • Überall – Der Deutschlandtakt soll auf allen Schienenstrecken in Stadt und Land gelten und somit die Anbindung von Städten und Regionen gewährleisten. Die Reisezeitvorteile der Neu- und Ausbaustrecken sollen durch optimale Verknüpfung auch in die Regionen getragen werden.

Nachfolgend sind die wichtigsten Änderungen seit dem Fahrplanwechsel erläutert:

Halbstundentakt Berlin – Hamburg

Begonnen wurde nunmehr mit der Umsetzung der Planungen des Deutschlandtakts bzw. der Einführung des Halbstundentakts im DB-Fernverkehr zwischen Berlin und Hamburg. Allerdings kann dies nur teilweise bzw. leider nicht im gesamten Fahrplanjahr verwirklicht werden. Denn ausreichend freie Trassen stehen vorerst nur bis zum 08. März 2021 zur Verfügung. Der DB-Konkurrent FLIXTRAIN hat für das geplante Angebot Kiel – Hamburg – Berlin – Leipzig teilweise die gleichen Trassen bestellt und wegen der im Vergleich zum DB-Angebot längeren Laufwege der Züge schließlich auch den Zuschlag erhalten. Die konkrete Umsetzung dieser Pläne bleibt abzuwarten.

Deutlich spürbare Auswirkungen haben für Bahnkunden zudem die geplanten umfangreichen Bauarbeiten zwischen Berlin und Hamburg, die wiederum Angebots-Einschränkungen zur Folge haben. Vom 11. September 2021 bis 11. Dezember 2021 verbleibt nur eine etwa stündliche Verbindung zwischen den beiden Städten. Wegen der notwendigen Umleitung über Stendal und Salzwedel verlängert sich die Fahrzeit um knapp 50 Minuten auf 2:30 Stunden. In Stendal ist ein stündlicher Halt vorgesehen (mit Umsteigemöglichkeiten u. a. von/nach Wittenberge). Weiterhin sind in benanntem Zeitraum Zusatzhalte in Salzwedel (stündlich) und Uelzen (2-stündlich) vorgesehen. In den Fernverkehrszügen werden dann in der Relation Salzwedel – Uelzen – Hamburg wegen des Entfalls entsprechender Zugleistungen auch Fahrausweise des Nahverkehrs anerkannt.

Die Eurocity-Linie 27 (Kiel -) Hamburg – Berlin – Dresden – Prag (- Budapest) entfällt zwischen Kiel und Berlin komplett. Die ICE-Durchbindung ab/bis Kiel bleibt dagegen erhalten.
Hier rächt sich u. a. der geringe Baufortschritt bezüglich des zweigleisigen Ausbaus der Strecke Stendal – Salzwedel – Uelzen, die einerseits eine wichtige Entlastungs- bzw. Ausweichstrecke im Personenverkehr ist, andererseits mehr Kapazität im Schienengüterverkehr und damit die Chance von Verkehrsverlagerungen ermöglichen könnte. Entsprechend aktueller Planungen soll der vollständige zweigleisige Ausbau in der benannten Relation erst im Jahr 2028 (!) abgeschlossen sein. Um endlich eine deutlich umweltfreundlichere Mobilität zu erreichen, muss dagegen u. a. auch diese Maßnahme beschleunigt umgesetzt werden.
Langfristig ist im Rahmen des Deutschlandtakts auch in anderen Relationen des Fernverkehrs-Kernnetzes, wie z. B. Berlin – Köln oder Hamburg – Fulda – Frankfurt (Main) – Mannheim – Stuttgart – München, ein Halbstundentakt geplant.

Verbesserung des ICE-Sprinterangebots zwischen Berlin und München

Auf der Strecke Berlin – Nürnberg – München verkehren die bei den Kunden beliebten fünf Sprinter-Zugpaare erfreulicherweise nun auch am Wochenende.

Angebotsverdichtung in der Relation Berlin – Köln – Bonn (ICE-Linie 10)

In der Relation Berlin – Bonn wurde das Angebot auf bis zu sieben umsteigefreie ICE-Verbindungen pro Tag und Richtung ausgeweitet. Dadurch verringert sich die Fahrzeit gegenüber den Umsteigeverbindungen um rund 20 Minuten. Diese Verbesserung sollte speziell für Regierungsmitarbeiter Anreiz sein, für ihre Reisen künftig die umweltschonende Bahn statt des Flugzeugs zu nutzen (um auf diese Weise als Vorbild zu dienen).

Des Weiteren erfolgt auf dieser Linie sukzessive der Einsatz der neuen siebenteiligen ICE 4. Die siebenteilige ICE 4-Einheit verfügt über insgesamt 444 Sitzplätze (zum Vergleich: Eine ICE 2-Einheit hat 381 Sitzplätze).
Kapazitätserhöhung auf der ICE-Linie 41 (Dortmund –) Essen – München

Auf der ICE-Linie 41 (Dortmund -) Essen – Frankfurt (Main) – München verkehren fast alle Züge mit einer zweiten ICE 3-Einheit. Dies bedeutet eine Erhöhung um jeweils 450 Sitzplätze.

Neu elektrifizierte Strecke München – Lindau mit verbessertem Angebot

Nach dem erfreulichen Abschluss der Streckenelektrifizierung zwischen München und Lindau, darüber hinaus auch des Ausbaus für den Betrieb mit Neigetechnik, wurde das Fernverkehrs-Angebot in der Relation München – Zürich deutlich verbessert. Es wurde von bislang drei auf sechs Zugpaare (nunmehr Eurocity-Express-Züge (ECE)), die weitgehend im Zweistundentakt verkehren, aufgestockt. Zum Einsatz kommen Triebzüge vom Typ ASTORO (ETR 610) der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die vorerst verbleibende Taktlücke wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2021 zumindest an Spitzentagen geschlossen. Die Fahrzeit München – Lindau verkürzt sich auf 1:55 Stunden und wurde damit um über 30 Minuten beschleunigt. In Lindau halten die Fernzüge nicht mehr im Kopfbahnhof, sondern ausschließlich an dem neu gebauten Bahnhof Lindau-Reutin. Die Fahrzeit Lindau – Zürich beträgt vorerst weiterhin noch rund zwei Stunden. Ab Ende 2021 ist eine weitere Fahrzeitverkürzung um ebenfalls 30 Minuten geplant. Ermöglicht wird dies durch einen automatisierten Wechsel der länderspezifischen Zugsicherungssysteme an den Landesgrenzen (dynamische Transition); der Halt am Grenzbahnhof für einen manuellen Wechsel der Systeme entfällt somit. Dies wird durch die Aufrüstung der Triebzüge mit dem Zugsicherungssystem ETCS Baseline/Version 3 ermöglicht, des Weiteren aber auch durch eine Optimierung des Fahrplans. Die gesamte Fahrzeit zwischen München und Zürich beträgt künftig dann attraktive 3,5 Stunden.

Verbessertes Angebot auch zwischen Deutschland und Polen

Erfreulich ist die Wiedereinführung der EuroCity-Verbindung EC 56/57 Berlin – Wrocław (Breslau) – Kraków (Krakau). Dieses Zugpaar verkehrt jedoch nicht mehr über Cottbus und Forst (dies war der Laufweg bis zur Einstellung zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014), sondern über Frankfurt (Oder) und Zielona Gora (Grünberg). Die Abfahrt von EC 56 erfolgt in Kraków um 10:11 Uhr, in Wrocław um 13:07 Uhr bzw. die Ankunft in Berlin Hbf um 17:16 Uhr. Die Abfahrt von EC 57 erfolgt in Berlin Hbf um 10:37 Uhr, die Ankunft in Wrocław um 14:50 Uhr und in Kraków schließlich um 17:51 Uhr. Leider erfolgt ein Halt weder an dem wichtigen innerstädtischen Umsteigeknoten Berlin Ostkreuz noch in Berlin Zoologischer Garten und Berlin Charlottenburg. Verbesserungspotenzial ist somit bei dieser Verbindung noch gegeben.

Auch die Nightjet-Verbindung Berlin – Wien / Budapest / Przemyśl, mit der u. a. auch eine Tagesrandverbindung zwischen Berlin und Wrocław hergestellt wird, verkehrt weiterhin im Fahrplanjahr 2021.

Im Hinblick auf die angespannte Corona-Pandemiesituation wurde der Kulturzug Berlin – Wrocław ab 20. November 2020 eingestellt. Unabhängig von der wieder eingeführten EuroCity-Verbindung soll der Kulturzug voraussichtlich ab dem Frühjahr 2021 aber wieder angeboten werden.

Mehr Züge in der Wintersaison zu touristischen Zielen

An den Sonnabenden vom 26. Dezember 2020 bis 20. März 2021 verkehrt ein direktes ICE-Zugpaar zwischen Hamburg bzw. Berlin und Innsbruck, Ötztal und Landeck, ein weiteres ICE-Zugpaar ab/bis München.
Bauarbeiten im Kernnetz sorgen für erhebliche Angebots-Einschränkungen

Nicht nur auf der wichtigen Strecke Berlin – Hamburg sind Bauarbeiten Ursache für zum Teil erhebliche Angebotseinschränkungen und Umleitungen mit entsprechend verlängerten Fahrzeiten. Dies trifft auch an anderen Stellen des Kernnetzes zu, u. a.:

Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg, Abschnitt Göttingen - Kassel

Die Sanierungsarbeiten an der Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg werden in der Zeit vom 24. April 2021 bis zum 16. Juli 2021 zwischen Göttingen und Kassel fortgesetzt. Die Folge ist eine Komplettsperrung des benannten Streckenabschnitts. Durch die notwendige Umleitung über Eichenberg verlängern sich die Fahrzeiten um rund 30 bis 40 Minuten mit späterer Ankunft bzw. früherer Abfahrt im Norden. Die ICE-Linie 13 Berlin – Braunschweig – Frankfurt (Main) Flughafen entfällt sogar weitgehend bzw. wird auf wenige Einzelfahrten Berlin – Hildesheim beschränkt. Die ICE-Sprinter-Verbindungen Hamburg – Frankfurt (Main) entfallen komplett.

VDE-Projekt 8.1 Ausbaustrecke (ABS) Nürnberg – Ebensfeld

Der viergleisige Ausbau des Streckenabschnitts Nürnberg – Ebensfeld geht auch 2021 kontinuierlich weiter. Leider ist die Streckenkapazität im Abschnitt Hallstadt – Breitengüßbach durch Eingleisigkeiten in der Zeit von Januar 2021 bis April 2021 deutlich eingeschränkt. Dadurch ist in diesem Abschnitt lediglich noch ein ICE-Zugpaar trassierbar. Die ICE-Linien 18 und 28 (Hamburg – Berlin – Halle (Saale) / Leipzig – München) verkehren daher mit maximaler Kapazität und werden generell über Ingolstadt geleitet. Abgesehen von dem am Tagesrand (früh) verkehrenden ICE-Sprinter-Zugpaar 1001/1008 entfallen alle weiteren Sprinterzüge in benanntem Zeitraum.

Auf eine Umleitung der ICE-Züge über Fulda und Würzburg wurde angesichts der daraus resultierenden deutlichen Fahrzeitverlängerung von rund 100 Minuten verzichtet.

Realisierung des Deutschlandtakts: Offene Fragen klären

Bereits die Realisierung erster Planungen zum Deutschlandtakt gestaltet sich schwierig. Hierzu zählt nicht nur das umfangreiche Baugeschehen an der Infrastruktur, das Umleitungen und Angebotsreduzierungen zur Folge hat. Die Situation bezüglich der Einführung des Halbstundentakts auf der Strecke Berlin – Hamburg zeigt, dass zur Koordinierung eines funktionierenden Deutschlandtakts im Schienenpersonenfernverkehr eine Organisationsstruktur auf Bundesebene (vergleichbar den ÖPNV-Aufgabenträgern in den Bundesländern) sinnvoll und notwendig ist. Soll der Deutschlandtakt ein Erfolgsmodell werden, muss nicht nur im Regionalverkehr, sondern auch im Fernverkehr ein rechtlich verbindliches Zugangebot, bei dem ein konsequenter, lückenloser Taktfahrplan gewährleistet ist, vorhanden sein. Im Gegensatz zur derzeitigen Situation, die im eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehr auf die „Selbstheilungskräfte des Marktes“ vertraut, können durch eine entsprechende Koordinierungsstelle des Bundes Fernverkehrslinien, ggf. auch Linienbündel, auf der Grundlage des Zielfahrplans ausgeschrieben werden.

Zum Deutschlandtakt gehört dabei auch ein unternehmensneutraler „Deutschlandtarif“. Die Lösung kann eben kein Konkurrenzangebot von zwei, ggf. auch noch weiteren Anbietern mit jeweils eigenen Tarifsystemen auf ein und derselben Strecke sein. Die hohe Flexibilität und Attraktivität, die ein Halbstundentakt für den Bahnkunden gerade auch im Fernverkehr bietet, darf keinesfalls durch eine Vielzahl unternehmenseigener Fahrpreissysteme, die schließlich Zugbindungen bewirken, konterkariert werden.

Die Einführung eines Schienenpersonenfernverkehrsgesetzes (SPFVG) bietet hierbei beste Voraussetzungen bzw. eine wirkungsvolle Rechtsgrundlage, um die benannten Ziele zum Wohl der Fahrgäste umzusetzen.

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