Zur Mobilitätsstrategie des Landes Brandenburg (Internetauftritt des Ministeriums)

Die nachfolgende Stellungnahme können Sie sich auch als PDF-Datei (Größe: 109 KB) herunterladen

 

Stellungnahme, Forderungen und Vorschläge des Berlin-Brandenburgischen Bahnkunden-Verbandes zur Erarbeitung einer Mobilitätsstrategie 2030 für das Land Brandenburg

Eckpunkte und Entwurf der Mobilitätsstrategie Brandenburg 2030 sind sehr allgemein ohne konkrete Zielstellungen und ohne Szenarien veröffentlicht worden. Es werden lediglich bekannte Lehrbuchfloskeln zusammengestellt. Hinweise aus der Auftaktveranstaltung und den Workshops wurden nicht aufgenommen. Das Verfahren ist offensichtlich bisher eine Alibiveranstaltung.

Aus unserer Sicht kann eine zukunftsfähige, klimagerechte und sozial verträgliche Mobilität nur erreicht werden, wenn alle Akteure beteiligt und ernst genommen werden. Datengrundlagen für spätere Entscheidungen sind zugänglich zu machen.

Schon die unterschiedlichen Zeitpunkte zur Erarbeitung der Nahverkehrspläne zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg verbessert werden muss. Da für einen gemeinsamen Ländernahverkehrsplan für das gesamte VBB-Gebiet die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, sollte wenigstens ein gemeinsames Ländernahverkehrskonzept für den Berliner ABC-Bereich erarbeitet werden. Dabei sollte der gesamte Umweltverbund - Fernverkehr, Regionalverkehr, S-Bahn, U-Bahn und Busse sowie der Radverkehr betrachtet werden. Für die Modellrechnungen sollten mehrere Finanzierungsmodelle zu Grunde gelegt werden.

Das vor der Länderfusion im Jahre 1994 zwischen beiden Ländern und der DB AG erarbeitete „Zielnetz 2000 – Die Zukunft des Regionalverkehrs auf der Schiene in Berlin/Brandenburg“ ist eine gute gemeinsame Grundlage für einen effizienten und klimagerechten Regionalverkehr. Die Abstimmung mit den Nachbarbundesländern, insbesondere Berlin, findet unserer Kenntnis nach wie vor nicht ausreichend statt. So hat sich der Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses noch nie mit der Brandenburger Mobilitätsstrategie beschäftigt. Berlin wird kaum in Brandenburger Planungen einbezogen (dies gilt auch umgekehrt für Berliner Planungen, die in der Regel ohne Brandenburger Beteiligung stattfinden).

In einem Analyseteil sollte aufgezeigt werden, wo das Land Brandenburg beim Thema Mobilität im Vergleich zu anderen Bundesländern steht – ähnlich "Mobilität der Stadt Berlin Verkehr in Zahlen" Ausgabe 2010 (u. a. modal split, Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs, Finanzierung der einzelnen Verkehre).

Vor allem der Stadt-Umland-Verkehr sollte wegen der Zunahme gesondert betrachtet werden.

Das Beteiligungsverfahren muss transparent sein. Wir schlagen eine Zusammenfassung aller Stellungnahmen und eine Abwägung vor - wie ein Abwägungsverfahren bei Planfeststellungsverfahren oder Bebauungsplanverfahren. In einem weiteren Workshopverfahren wird dann auf die fachlichen Hinweise konkret eingegangen.

Das Teilziel Verkehrsvermeidung kommt an einigen Stellen im Entwurfstext vor - in die Strategie fließt es jedoch nicht ein. Es macht vielmehr den Eindruck, dass das Land Brandenburg, dem Bundestrend folgend, Mobilität in allen Bereichen eher ermöglichen, als steuern will (Seite 2: "... um möglichst vielen Mobilitätsanforderungen gerecht zu werden.").

Für die Mobilität innerhalb Brandenburgs spielt der Flughafen BER und das Luftverkehrskonzept der Bundesregierung keine Rolle - verlässliche und seriöse Eröffnungstermine gibt es außerdem nicht. Deshalb gehören Aussagen über BER nicht in die Strategie.

In der Strategie fehlen konkrete Aussagen zur Vernetzung, Verbesserung und Ausbau des Umweltverbundes. Kapazitätserhöhung bei der Fahrradmitnahmemöglichkeit in Bahn und Bus (!), Schaffung von sicheren Abstellmöglichkeiten für Fahrräder oder die mehrmals angekündigte Weiterentwicklung des Verbundtarifes ... Fehlanzeige. Ebenso fehlen Aussagen, zur Mitnahme von Elektrofahrrädern im SPNV und der Problematik, dass E-Scooter ebenfalls nach wie vor nicht in Bahn und Bus befördert werden dürfen.

Dem Ansatz der ressort- und zuständigkeitsübergreifenden Betrachtung wird kaum Rechnung getragen.

Leider bleibt der Entwurf bei der alles entscheidenen Frage herzlich unverbindlich – nämlich der Frage, welche konkreten Ziele die Landesregierung mit welchen Maßnahmen erreichen will. An nur ganz wenigen Stellen gibt es konkrete Aussagen.

Wir hätten erwartet, dass die "Daseinsvorsorge" verbindlich definiert wird. Wie und mit welchem Angebot werden Orte und Verkehrsbeziehungen die öffentlichen Verkehrsangeboten zuverlässig versorgt? Dies halten wir insbesondere unter dem Gesichtspunkt der aktuell diskutierten Kreisreform für sehr wichtig.

Zu den drängenden infrastrukturellen Problemen gehören in Brandenburg die unterschiedlichen Bahnsteighöhe im SPNV. Was nützt ein barrierefreier Zugang zum Bahnsteig, wenn auf Grund eines Höhenunterschiedes an der Einstiegstür doch wieder fremde Hilfe notwendig ist?! Die Herstellung der Barrierefreiheit stellt eine große Herausforderung bis 2021 dar, die die kommunalen Aufgabenträger alleine nicht stemmen können. Wir sehen daher das Land Brandenburg und die Bundesregierung in der Pflicht, zur Unterstützung ausreichend finanzielle Mittel bereitzustellen und durch gesetzgeberische Aktivitäten den notwendigen Vorlauf zu schaffen. Die auf Seite 22 genannte "Aufstockung der Förderung" ist zwar ein guter Anfang, reicht aber nicht aus. Die Zuständigkeit für die Herstellung der Barrierefreiheit an den SPNV-Station liegt beim Land und der DB AG. Hier sind Ansprechpartner nicht die Kommunen, sondern das Land Brandenburg. Deshalb fehlt zu dieser Verantwortung eine konkrete Aussage.

Positiv und unterstützenswert sind Überlegungen hin zu einer Intensivierung des Meinungsaustausches mit den Nachbarbundesländern und angrenzenden Wojewodschaften Polens. Allerdings sei beim Thema Fernverkehr auf die Zuständigkeit des Bundes hingewiesen. Auch erbringt nicht nur die DB AG Fernverkehrsleistungen auf der Schiene, sondern auch Dritte Unternehmen.

Die Idee der Beauftragung des VBB mit einer "Kompetenzstelle für grenzüberschreitende Regional- und Fernverkehre" entspricht nicht dem Auftrag des Verkehrsverbundes. Warum muss eine solche inhaltliche Arbeit aus dem Ministerium ausgelagert werden?

Der Erhalt des bestehenden Schienennetzes für den Güter- und Personenverkehr wird leider als Ziel nicht erwähnt.

Der Wunsch nach verbesserten Mobilitätsangeboten muss unserer Meinung nach auch mit einem Abrücken von der "messerscharfen" Zuständigkeitstrennung zwischen Land und kommunalen Aufgabenträger einher gehen. Diese Trennung wird in der Praxis sowieso an immer mehr Stellen durchbrochen. Wenn in den Morgen- und Abendstunden für regionale Verbindungen innerhalb Brandenburgs die SPNV-Bestellung unwirtschaftlich ist (Beispiel: Spätverbindungen Berlin - Wittenberge), muss es für das Land als Besteller auch denkbar sein, anstatt eines Zuges auf diesem Laufweg einen Bus einzusetzen. Das Festmachen der Zuständigkeit am Verkehrsmittel anstatt am Verkehrsbedürfnis ist nicht mehr zeitgemäß und verhindert im Einzelfall auch einen effizienten Mitteleinsatz und das passgenaue Angebot. Andererseits hat das MIL keine Probleme damit, auch innerhalb einer Kommune mehrere RE- und RB-Halte zu bestellen, obwohl damit eher lokale als regionale Verkehrsbeziehungen befriedigt werden (z. B. Potsdam mit 9 Regionalbahnstationen). Hier fehlt die Bereitschaft zum flexiblen Denken!

Es reicht nicht aus, "Mobilitätspolitik und umweltfreundliche Siedlungs- und Infrasatrukturpolitik besser" vernetzen zu wollen (wird das nicht schon seit Jahren gewollt??). Das Land Brandenburg muss hier mit agierend tätig werden und eigene Schwerpunkte setzen.

Der "Berlin-Brandenburg-Takt" wird von uns kritisch unter dem Gesichtspunkt bereits heute nicht ausreichender Finanzierung des Notwendigen gesehen. Auch nach Neuregelung der Regionalisierungsmittel wird es eine Lücke zwischen den durchschnittlichen Preissteigerungen bei den Trassen- und Stationskosten und der Dynamisierung der Regionalisierungsmittel geben. Wie soll diese größer werdende Lücke gedeckt werden?

Wir schlagen vor, dass die Einführung einer zentralen Rufnummer für die Bestellung von Anrufbussen und ähnlichen Bedarfsangeboten sowie der Reservierung von Fahrradstellplätzen und Bestellung von Serviceleistungen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste die Attraktivität weiter verbessert. Dies könnte zum Beispiel beim VBB geschehen.

Die Mitfinanzierung von sachfremden Ausgaben aus den Regionalisierungsmitteln stellt in Brandenburg ein großes Problem dar. Deshalb fordern wir, dass die Regionalisierungsmittel zu 100 % für SPNV-Bestellungen verwendet werden.

Auch die Qualität des Schienennetzes muss regelmäßig bewertet und erhalten werden. Für den Bereich der Straße schreibt der Landesbetrieb Straßenwesen ständig auf Grundlage entsprechender gesetzlicher Grundlagen einen Straßenbedarfsplan fort - sehr konkret werden in der Mobilitätsstrategie Aussagen über die zukünftige Behandlung des klassifizierten Straßennetzes getroffen. Ähnliche Aussagen fordern wir auch für den SPNV und SGFV.

Erfreut sind wir grundsätzlich über die sehr konkrete Zielbeschreibung, dass bis 2030 der Anteil des Umweltverbundes von heute 47 Prozent auf über 50 Prozent erhöht werden soll (Seite 23). Dieses Ziel ist konkret, aber wenig ambintioniert. Auch fehlt die Definition der Ausgangslage. Hier stellen wir uns eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Regionen berlinnaher und berlinferner Raum vor. Warum soll nicht in den berlinnahen Regionen eine Erhöhung auf 60 Prozent machbar sein?!

Die Größe von "Mitfahrerparkplätzen" sollte beschränkt werden. Die Auswirkungen auf den üÖPNV sind nicht untersucht worden. Es liegt die Vermutung nahe, dass sie weitere Potenziale vom ÖPNV abziehen.

Fazit

Nach wie vor halten wie die Verabschiedung einer Mobilitätsstrategie für eine gute und unterstützenswerte Idee. Sollte Ziel der Mobilitätsstrategie sein, ein "Weiter so wie bisher" zu rechtfertigen, ist sie überflüssig. Der vorliegende Entwurf nennt kaum konkrete Ziele. Die Mobilitätsstrategie 2030 wird nicht im ergebnisoffenen Dialog und Bekanntgabe wichtiger Voraussetzungen (z. B. Korridoruntersuchungen, statistische Daten) erarbeitet. Der Berlin-Brandenburgische Bahnkunden-Verband ist enttäuscht von dem Strategieentwurf und der Vorgehensweise.

Zurück zur Übersicht

Unterstützen Sie uns mit einer Spende!

Unterstützen Sie uns. Werden Sie Mitglied!